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Ziele erklären und umsetzen

Unternehmensziele weitergeben, das ist in vielen Unternehmen eine wichtige Führungsaufgabe. Wie sollte die Führungskraft vorgehen? Und welche Stolperfallen lauern dabei?


Frau Weber hatte vor einem knappen Jahr die Stelle gewechselt und trug nun erstmals Führungsverantwortung. In ihrer kleinen Abteilung arbeiteten zwölf Kundenberater. Jetzt stand die jährliche Zielrunde an.

Ziele als Alibi - nein danke

Bei ihrer vorherigen Firma war das nicht wichtig genommen worden. Ihr damaliger Chef hatte einfach die Mail zu den Abteilungszielen mit einem knappen Dreizeller an sein Team weitergeleitet. „Ihr seid doch selbstständig! Ihr wisst am besten, wie ihr das berücksichtigen könnt“, so ähnlich war sein Kommentar. Anfangs hatte Frau Weber sich alleingelassen gefühlt, aber die Kolleg:innen hatten sie beruhigt. Die Ziele seien nicht so wichtig und das Ganze eher ein Alibi. Und meist hatte auch keiner mehr danach gefragt.

Kennen Sie ein solches Vorgehen auch? Das ist zeitsparend, aber das große Potenzial von Zielen wird vergeudet. Ziele sind doch dazu da, das Arbeitsverhalten zu leiten und die Anstrengungen von allen in eine gemeinsame Richtung zu steuern.

Die Anstrengungen in eine gemeinsame Richtung steuern

Team diskutiert, Zettel mit Ideen
(c) Gerhard Altmann, Pixabay-Lizenz 2023

Frau Weber wollte es selbst anders handhaben. Von einem Leitungskollegen erfuhr sie, dass die meisten ein Meeting mit diesem Schwerpunkt durchführten. Also setzte sie den TOP "Ziele" auf die nächste Agenda. Damit keine Zeit mit Information vergeudet würde, schickte sie die Ziele vorab per Mail an alle.

Abwehrdiskussionen

Im Meeting wurde engagiert diskutiert. Doch in welche Richtung? Man regte sich über neue Ziele auf, beschwerte sich über die Höhe von Zielen in dieser schwierigen Zeit und verlangte mehr Personal und Budget… Naja, vielleicht stelle ich das etwas übertrieben dar, aber Frau Weber war unzufrieden.

Ein solcher Verlauf kommt öfters vor, und er ist auch menschlich verständlich. Wenn die Mitarbeitenden sich vorstellen, an welchen Zielen ihre Arbeit gemessen werden soll, dann kommen ihnen als erstes die Hindernisse in den Sinn. Kann man das verhindern, indem man vorab keine Infos über die Ziele ausgibt?

Vorab nicht informieren?

Nein, davon rate ich. Damit verlagert man die Diskussion höchstens aus dem Meeting in die Teeküche. Eine Diskussion ist notwendig, aber sie sollte in eine produktive Richtung gelenkt werden. Dazu müssen die Ziele erklärt und begründet werden. Die Diskussion braucht eine konstruktiv wirkende Struktur.

Ziele sind nicht selbsterklärend

Unternehmensziele werden von der Unternehmensleitung festgelegt, mit Blick auf

  • die Strategie
  • die wirtschaftlichen Notwendigkeiten
  • das Marktumfeld
  • die Wettbewerber
  • die technologischen Entwicklungen usw.

Diese Perspektiven sind für die Sachbearbeitungsebene nicht alltäglich. Damit die Mitarbeitenden die Zielsetzungen besser verstehen, müssen sie sich einmal die Brille des Vorstands aufsetzen.

Dazu kann die Führungskraft die Ziele in die strategische Positionierung der Firma einordnen. Das Marktumfeld und die Initiativen von Wettbewerbern sind auch oft ein sinnvoller Bezug. Was im konkreten Fall erklärt werden sollte, hängt jedoch von den fachlichen Inhalten ab.


Unternehmensperspektive

Das Team von Frau Weber war im Kundenservice tätig. Zwei wichtige Ziele für die Abteilung waren die schnellere Antwort auf Kundenanfragen sowie das Generieren von Zusatzgeschäft bei Bestandskunden.

Zu beiden hatten die Beschäftigten natürlich abweichende Ansichten. Sie würden sich sowieso schon genug hetzen und für die Akquise sei der Vertrieb zuständig. Frau Weber war sich klar, dass diese Ziele nicht automatisch ernst genommen würden.

Um die Sichtweisen ihrer Mitarbeitenden zu erweitern, wertete sie einige Statistiken aus und stellte die Zahlen in Grafiken zusammen, hier zum ersten Ziel „Schnellere Mailbearbeitung“:

  • Sie konnte darstellen, dass die durchschnittliche Antwortzeit auf Mails allgemein seit zwei Jahren stagnierte, es aber große Unterschiede in den Wochenverläufen und vor allem je nach Inhalt gab.
  • Daten aus Befragungen von Kündigern zeigten auf, dass eine zu langsame Bearbeitung im Ranking der Kündigungsgründe im oberen Mittelfeld lag.
  • Presseerklärungen der Unternehmensleitung betonten die Bedeutung von Kundenzufriedenheit.
  • Marketinganalysen hatten ergeben, dass sich ein ziemlich aggressiver Wettbewerber derzeit insbesondere auf Digitalisierung und schnelle Antwortzeiten fokussierte.

Frau Weber fasste zusammen, dass sie das Ziel „Schnellere Mailbearbeitung“ für wichtig, aber auch für beeinflussbar hielt. Es sei damit nicht gemeint, dass alle sich hetzten – so würden nur Bearbeitungsfehler wahrscheinlicher. Vielmehr wolle sie gemeinsam erarbeiten, wo in ihren Prozessen die intelligentesten Ansatzpunkte liegen könnten, um mehr Tempo zu gewinnen.


Die Diskussion strukturieren

Wenn die Ziele derart erklärt worden sind, kann die Diskussion durch Leitfragen in eine produktive Richtung gelenkt werden.

  • Man kann sofort Verbesserungsideen abfragen, z. B. so: "Was können wir tun bzw. ändern, damit wir... erreichen?"
  • Oder man kann vorab noch kurz den Blick auf Hindernisse richtigen: „Was hält uns davon ab, ... zu erreichen?“

Hindernisse anschauen

Frau Weber hatte die Frage auf ein Flipchart geschrieben: „Wann dauern Mailantworten besonders lang?“ und verteilte große Post-its, auf denen die Mitarbeitenden ihre Erfahrungen dazu als Stichwort notieren konnten. Das Flipchart füllte sich schnell. Die Antworten wurden nach Ähnlichkeit geclustert, und so ergaben sich drei größere Gruppen und viele Einzelpunkte. Das größte Cluster war „fehlende Unterlagen“, das zweitgrößte „knappe Besetzung“.

Verbesserungsideen sammeln

Vorschläge können in einer offenen Diskussion erarbeitet werden. Damit diese nicht abschweift, sollte man die Leitfrage aber anschreiben, z. B. per Flipchart oder Beamer. Es können Kärtchen oder Post-its gesammelt oder auch kreative Methoden wie Brainstorming verwendet werden. Wenn eine vertiefte Bearbeitung sinnvoll ist, bieten sich Kleingruppen an.

So hatte Frau Weber Dreiergruppen bilden lassen, um Ideen zu erarbeiten, was gegen die Verzögerung durch fehlende Unterlagen unternommen werden kann. Sie bat die Gruppen, alle Ideen zu notieren, auch wenn es Gegenargumente gab. Erstmal sollte kein Ansatzpunkt verloren gehen. Die Mitarbeitenden diskutierten lebhaft.


Eine Auswahl treffen und Maßnahmen beschließen

Die Vorschläge sollten erklärt werden, damit alle das Gleiche darunter verstehen. Danach muss sortiert werden: Mit welchen Ideen wollen wir uns intensiver beschäftigen?

Eine solche Auswahl kann durch die Führungskraft erfolgen. Das muss nicht sofort erfolgen. Sie könnte z. B.  beim nächsten Team-Meeting ihre Bewertung vorstellen. Der Vorteil ist, dass sie die relevanten Vorschläge noch einmal in Ruhe checkt, etwa nach Wirkung (Bringt das viel?) oder nach Aufwand (Was müssen wir dafür verändern?).

Andererseits kann man auch die Praxiserfahrungen der Mitarbeitenden nutzen. Schließlich werden sie die ausgewählten Veränderungen umsetzen. Allerdings ist das eine Adhoc-Einschätzung, und die Bewertungskriterien sind intuitiv und wenig transparent. Damit nicht hauptsächlich nach dem Kriterium „Was ist das bequemste für uns?“ gewertet wird, sollte eine Frage vorgegeben werden. Beispielsweise „Was geht am schnellsten?“ oder „Was hat wohl die größte Wirkung?“

Frau Weber kombinierte beide Methoden. Zunächst ließ sie das Team voten, um sich eine Empfehlung zu holen. Das machte sie mit einer Punktfrage. Die endgültige Entscheidung - das war vorher auch klar gesagt - behielt sie sich vor. Wenn sie dabei jedoch die Favoriten der Mitarbeitenden nicht auswählt, dann hat sie das gut zu begründen, damit keine Frustration entsteht.


Zeitplanung und Zuständigkeiten

Am Ende der Zielberatung steht natürlich eine To-do-Liste, damit die Ideen auch angegangen werden. Alle Teammitglieder wissen nun um die Bedeutung der Zielaktivitäten, so dass die Führungskraft eher auf Verständnis stößt, wenn sie Arbeiten daraus delegiert.

Vorteile für eine Maßnahmenplanung in den Teams

Wenn die Zielaktionen aus dem Team heraus erarbeitet werden, hat das folgende Vorteile:

·        die Mitarbeitenden sind sich der strategischen Bedeutung bewusst

·        sie sind bestenfalls an der Erarbeitung und Auswahl beteiligt gewesen

·        es können Besonderheiten jedes Teams berücksichtigt werden.

Diese Effekte gibt es nicht, wenn die Maßnahmen zur Zielerreichung zentral geplant und dann vorgegeben werden. Allerdings sollten die Zielaktivitäten im Unternehmen abgeglichen und ggfs. koordiniert werden. Das kann über Zielkonferenzen oder die normalen Führungskreis-Meetings geschehen.

Wenn Sie Unterstützung beim Führen mit Zielen wünschen, sprechen Sie mich gerne an!



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